Es war 5:43 Uhr morgens. Als ich auf mein Handy starrte, ging mir auf, dass die Schmerzen, die ich empfand, kein Traum gewesen waren. Ich konnte spüren, wie sich mein Magen verengte und mein Rücken verkrampfte. Ich fragte mich, wie lange es noch dauern würde, bis ich mich vor Schmerzen übergeben würde. Ich wünschte, einfach wieder einschlafen zu können. Ich drehte mich um, um nach dem Heizkissen zu greifen, das ich immer neben meinem Bett liegen habe. Und dann versuchte ich, mich für den enormen Schmerz zu wappnen, von dem ich wusste, dass er kommen würde.
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es ist, schmerzfrei zu sein. Ich weiß nicht mehr, wie es ist, morgens nicht von einem stechenden Schmerz im Bauch geweckt zu werden. Und es liegt schon Jahre zurück, dass ich mit meinem Hund spazieren gehen konnte, ohne dass meine Vagina bei jedem meiner Schritte wie Feuer brennt. Es überrascht mich kaum noch. Diese Schmerzen zu ertragen, fühlt sich nicht einmal mehr irgendwie anders oder außergewöhnlich an, es fühlt sich schlicht und einfach normal an. Ich kenne es heute nicht anders und die Tage, an denen es so war, sind längst vergangen. Manchmal frage ich mich, ob es diese Tage überhaupt jemals gegeben hat. Meistens habe ich das Gefühl, dass ich mich mit den Schmerzen arrangiert habe. Ich habe sie als Teil meines Lebens akzeptiert. Aber dann fängt mein Morgen an und wie aus dem Nichts sind die Schmerzen unerwartet heftig. Sie sind stechender als üblich und sie wecken mich mitten in der Nacht auf. Ich fühle mich schwer und niedergedrückt. Ich bin dazu gezwungen, 14 Stunden am Stück im Bett zu bleiben. Und ich vergesse, dass ich jemals auch nur nahe daran war, das alles zu akzeptieren.
Ich lebe mit chronischen Schmerzen, seit ich ungefähr 15 Jahre alt war. Es war damals weniger schlimm – im Vergleich zu heute eher eine gelegentliche Ablenkung. Es schien einfacher zu sein, damit umzugehen; ich habe damals immer noch geglaubt, ich würde eines Tages aus den Schmerzen herauswachsen. Heute mit 26 sind sie immer noch bei mir. Die Schmerzen führen dazu, dass ich nicht zur Arbeit gehe, dass ich Geburtstagsfeiern von Freunden verpasse … oder meine eigenen. Aber es sind nicht nur die körperlichen Schmerzen, mit denen ich mich herumschlagen muss. Nach mehr als zehn Jahren damit ist es auch der seelische Aspekt des Lebens mit chronischen Schmerzen, der mich wirklich an meine Grenzen bringt. Das Leben in ständigen Schmerzen hat mich ausgelaugt. Denn ein solches Leben kommt dem Versuch gleich, einen Weg zu finden; zu akzeptieren, dass dies nun mal mein jetziges Leben ist und dass dies nun mal das ist, was ich heute bin. Ich muss das jeden einzelnen Tag machen, immer und immer wieder. Und nach zehn Jahren bin ich immer noch nicht übermäßig gut darin.
Das Leben mit chronischen Schmerzen ist, als wärst du ständig im Krieg. Jeder Tag ist eine kleine Schlacht. Manchmal lassen sich die Schlachten leicht gewinnen und manchmal … eben nicht. Aber neben dem Kampf mit deinem eigenen Körper, um die körperlichen Schmerzen zu lindern, kämpfst du auch eine Schlacht darum, zu bewahren, wer du eigentlich bist. Chronische Schmerzen fressen dich auf. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, meine chronischen Schmerzen bringen mich um den Verstand. Ich fühle mich wie aus den Angeln gehoben. Das andauernde Unbehagen macht mich irrational zornig und ich lasse es an den Menschen in meiner Umgebung aus. Es verursacht enorme Beklemmungen, die zu einer schweren Depression geführt haben. Es hat sich alltägliche Dinge wie das Warten in einer Schlange oder einen Spaziergang gekrallt und sie zu Herausforderungen gemacht. Wenn du dich im Krieg mit deinem eigenen Körper befindest, werden Kleinigkeiten größer. Plötzlich ist diese Person, die sich vor dir in die Schlange drängelt, dein ärgster Feind. Der Kollege, der über den Kater vom Vorabend jammert, ist der rücksichtsloseste Mensch, den du je getroffen hast. Und die Frau, die vor deinem Wohnungsfenster joggt, tut das nur, um dich zu verhöhnen. Es ist nicht rational. Aber jeden Tag Schmerzen zu haben, ist das auch nicht.
Der Versuch, mich an der Person festzuklammern, die ich ohne meine Schmerzen bin, ist die schwerste Schlacht, in der ich je gekämpft habe. Es fühlt sich an, als ob die Person, die ich hätte sein können, gestorben wäre und ich Tag für Tag um sie trauern müsse. Ich denke viel darüber nach – über die Vorstellung, dass ich ohne Schmerzen ein vollkommen anderer Mensch sein könnte. Ich mag den Gedanken, ich könnte eine dieser sorglosen Frauen sein, die schnell lachen und immer bereit für ein Abenteuer sind. Ich stelle mich mir als eine Frau vor, die häufiger lächelt. Ich denke, dass es mir leichter fallen würde, auf Menschen zuzugehen und dass die Leute sich von meiner Energie angezogen fühlen würden, anstatt vor ihr zurückzuschrecken. Die College-Zeit wäre definitiv eine andere Erfahrung gewesen. Anstatt mit meinem Heizkissen im Bett zu liegen und mich zu fragen, was zum Teufel mit mir nicht stimmt, wäre ich zu Hauspartys oder bis morgens um 3 Uhr in Bars gegangen. Ich hätte vielleicht bis heute schon die Welt bereist oder wäre aus einer Laune heraus nach Australien gezogen. Vielleicht würde ich auf einer Luxusyacht arbeiten. Es gefällt mir, mir vorzustellen, dass ich weniger Zeit mit Fernsehen im Bett und mehr draußen in der Welt mit Wandern, Radfahren und der Erkundung neuer Orte verbringen würde. Ich sehne mich nach einfachen Dingen – wie danach, ohne Magenschmerzen ein Donut zu essen oder in der Lage zu sein, an SoulCycle-Kursen teilzunehmen. Ich wäre ja schon damit zufrieden, einfach nur joggen gehen zu können. Ehrlich, ich möchte einfach nur mein Leben leben. Aber ich kann das in meinem Zustand nicht – so wie ich möchte, sowieso nicht.
Ich erinnere mich deutlich daran, wie ich ein junges Mädchen war und über meine Zukunft nachgedacht habe. Wie die meisten Leute habe ich mir oft überlegt, wie ich wohl sein würde, wenn ich älter bin. Ich hatte mir alles so schön ausgemalt. Ich würde mit einem Basketball-Stipendium aufs College gehen. Dort würde ich studieren, um Meeresbiologin zu werden oder vielleicht meine eigene Werbeagentur aufzumachen – und das alles parallel zu traumhaften Partys und jeder Menge Dates mit süßen Typen. Es hat mir so sehr gefallen, darüber nachzudenken, wer ich nach meinem College-Abschluss sein würde – welchen Job ich haben würde und was für ein aufregendes Leben ich in meinen Zwanzigern führen würde. Ich habe alles vor mir gesehen – die Partys, die Abendessen im Restaurant mit Freunden, die Urlaube. Ich habe von mehreren verschiedenen Szenarien geträumt, aber in keinem davon kam ich vor, wie ich mit einer chronischen Krankheit ans Bett gefesselt bin.
So sehr ich mir auch wünsche, diese Krankheit loszuwerden, kann ich doch nicht endlos Zeit damit verbringen, nach einer Heilung zu suchen. Ich habe keine Lust, stundenlang in Foren zu lesen und ich will auch nicht weiterhin Tausende von Dollars für Besuche bei Fachärzten ausgeben. Ich möchte mir die Zeit dafür gönnen, um das Leben zu trauern, das ich nicht bekommen sollte … und dann will ich nach vorne schauen. Die Zeit ist reif, die neue Lara kennenzulernen – die mit den chronischen Schmerzen, die möglicherweise auch in 20 Jahren noch da sind. Ich möchte wissen, wozu diese Lara fähig ist, und ich möchte neue Träume darüber träumen, wohin das Leben diese Lara führt. Dieses Eingeständnis heißt nicht, dass ich aufgebe – ganz im Gegenteil. Es heißt, dass ich mir endlich erlaube, frei zu sein. Ich höre nicht auf, meine Nahrungsergänzungsmittel zu schlucken und an meiner Physiotherapie teilzunehmen. Ich werde mir vielleicht sogar ab und zu immer noch einen Heilstein holen. Ich werde nie aufhören, gegen die Krankheiten zu kämpfen, die mir so viel genommen haben. Aber ich kann nicht in diesem Zwischenstadium weiterleben – an diesem Ort, an dem ich überzeugt bin, dass es irgendwo da draußen ein Heilmittel gibt, das ich nur deshalb nicht finde, weil ich mich nicht genug anstrenge. Ich kann nicht mehr in der Vergangenheit leben, voller Sehnsucht nach einem Leben, an das ich mich kaum noch entsinnen kann. Ich muss in der Gegenwart leben, in der ich weiß, dass ich krank bin, und in der ich ebenfalls weiß, dass ich alles in meiner Macht Stehende getan habe und tue, um das Problem zu lösen.
Manchmal bin ich mir gar nicht mehr sicher, wer ich bin. Es ist schwierig, in Worte zu kleiden, wie es sich anfühlt, wenn dir dein Leben von einer Krankheit gestohlen wurde. An einem Tag fühlst du dich mit deinem Körper vertraut und denkst, du hast eine Ahnung davon, was in ihm vor sich geht. Und dann gerät plötzlich alles außer Kontrolle, und egal, wie sehnlichst du alles in Ordnung bringen möchtest, du kannst es nicht.
Inzwischen gibt es verschiedene Versionen von Lara. Es gibt die Guter-Schmerztag-Lara und die Schlechter-Schmerztag-Lara. Es gibt die „Ich werde gegen diese Scheiße ankämpfen und gewinnen“-Lara und dann gibt es auch noch die „Ich bin das Kämpfen leid und möchte einfach nur schlafen“-Lara. Ich weiß nie, welche Lara ich bekomme. Aber ganz gleich, welche Lara es auch ist, es ist nie die, von der ich all die Jahre zurück dachte, dass sie es sein würde. Und zum ersten Mal nach langer Zeit ist das okay für mich.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch.