Auch wenn du dich selbst nicht als eine Person siehst, die andere schnell verurteilt, hattest du sicher auch schon einmal einen schwachen Moment und bist über jemanden hergezogen.
Wie wäre es zum Beispiel mit deiner besten Freundin, die mit jemandem zusammen ist, den du nicht gut genug findest? Oder mit deiner Kollegin, die ein Outfit trägt, das deiner Meinung nach nicht ins Büro gehört? Diese Art von Kritik kann andere Menschen extrem verletzen und ist zugleich anstrengend für die Person, von der die Kritik ausgeht. Warum solltest du deine Zeit darauf verwenden, die Entscheidungen anderer Menschen zu kritisieren, wenn du dich stattdessen auf dein eigenes Wachstum konzentrieren kannst?
„Wenn wir jemanden verurteilen, vergleichen wir uns selbst mit ihnen“, sagt Life Coach Karin Ulik gegenüber BuzzFeed. „Andere zu kritisieren hilft uns, uns selbst sicher zu fühlen. Auf diese Weise kontrollieren wir unser Leben und unsere Umgebung, oft passiert das unbewusst. Wenn wir uns dessen aber bewusst werden, können wir das auch ändern.“
Andere Menschen zu verurteilen und zu kritisieren sind natürliche Verhaltensmuster. Wir alle machen das. Aber es gibt Wege, diese Gewohnheit zu ändern und anderen (und uns selbst) mehr Mitgefühl zu zeigen. Wenn du bereit bist, von deinem hohen Ross abzusteigen, haben wir hier einige Ratschläge von Experten. Sie zeigen dir, wie du weniger kritisch und stattdessen liebevoller und einfühlsamer sein kannst.
1.
Frag dich, warum du das Bedürfnis hast, Kritik zu üben.
Seien wir mal ehrlich: Der Drang danach, Kritik zu üben, kommt meist daher, dass wir uns selbst unsicher fühlen. Wir beurteilen nicht wirklich die Entscheidungen einer anderen Person. Wir versuchen vielmehr, unsere eigenen Entscheidungen zu rechtfertigen, indem wir andere Menschen kritisieren.
Life Coach Esther Gonzalez Freeman erklärt BuzzFeed, dass wir versuchen können, weniger Kritik zu üben, wenn wir „unsere Gedanken in Neugierde umwandeln“. Das hilft uns dabei, den Grund dafür zu finden, warum wir andere Menschen überhaupt erst kritisieren wollen. Sie empfiehlt, sich selbst zu fragen: „Was ist mit mir?“ oder „Warum beschäftigt mich das?”
„Diese Art von Neugier und Selbstreflexion hilft uns dabei, besser zu verstehen, warum wir uns überhaupt besser fühlen wollen“, sagt Gonzalez Freeman.
2.
Mach dir bewusst, was deine Kritik auslöst
Oft kritisieren wir andere Menschen aus einem Reflex heraus und nicht bewusst. Versuche herauszufinden, in welchen Momenten du besonders gereizt bist oder das Gefühl hast, andere kritisieren zu wollen. Diesen Momenten kannst du aktiv entgegenwirken. Karlyn Percil, Coach für emotionale Intelligenz, erklärt gegenüber BuzzFeed, dass wir neue Verhaltensweisen (wie zum Beispiel weniger kritisch zu sein) triggern können, wenn wir uns unserer emotionalen Gewohnheiten bewusst werden.
Percil empfiehlt, dass wir uns die folgenden Fragen stellen:
– Bin ich voreingenommener, wenn ich unter Stress stehe?
– Bin ich kritischer, wenn bestimmte Leute um mich herum sind?
– Tendiere ich vielleicht morgens oder abends zu mehr Kritik?
Wenn du weißt, was deine Voreingenommenheit auslöst, kannst du dem entgegenwirken.
3.
Versuche den Grund für das Verhalten der anderen Person zu verstehen.
Meistens weißt du wahrscheinlich nicht, warum sich eine Person so verhält, wie sie das tut. Wenn du aber einmal genauer drüber nachdenkst, hast du dich bestimmt auch schonmal komisch verhalten und hattest sicher deine Gründe dafür, richtig? Sei also anderen Menschen gegenüber respektvoll und versuche, dich in sie hineinzuversetzen.
Raffi Bilek, Therapeut und Direktor des Baltimore Therapy Center, nennt folgendes Beispiel: Eine Mutter gibt ihrem Kind auf einer Schaukel Anschwung und schaut dabei auf ihr Smartphone. Du denkst vielleicht sofort, dass sie ihrem Kind mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Aber anstatt dich auf diesen Gedanken zu konzentrieren, solltest du dich besser fragen, warum sie das tut.
„Vielleicht schreibt sie jemandem wegen einer dringende Angelegenheit“, sagt Bilek. „Vielleicht war sie eine Woche lang im Krankenhaus und muss ihre Arbeit nachholen. Gleichzeitig muss sie sich auch um ihr Kind kümmern, weil sie keinen Babysitter gefunden hat.“
4.
Nutze deine Atmung, um runterzukommen, wenn du zu selbstkritisch wirst.
Okay, wir haben jetzt viel über Kritik gegenüber anderen Menschen gesprochen, doch auch Selbstkritik schadet. Wenn du dich das nächste Mal wegen deiner Gedanken, wegen deines Tuns oder deines Verhaltens verurteilst, solltest du kurz innehalten. Konzentriere dich stattdessen auf die Atemtechnik, die Lisa Diers vorschlägt. Sie ist Body-Recovery-Coach und Ernährungsberaterin. Sage dir beim Einatmen innerlich „Ich bin“ und beim Ausatmen „genug“. Wiederhole den Vorgang sooft wie nötig.
Diers sagt: „Wenn wir unseren Atem mit einem Lieblingszitat oder einem positiven Mantra koppeln, können wir das auch verkörpern und gleichzeitig unser Nervensystem beruhigen.“
5.
Formuliere deine kritischen Gedanken um.
Life Coach Ulik schlägt vor, dass du deinen kritischen Gedanken aufschreiben und positiv umformulieren solltest.
„Wenn du zum Beispiel den modischen Geschmack einer Freundin immer wieder infrage stellst, denkst du dir vielleicht sowas wie: „Wow, Kati trägt heute schon wieder so ein hässliches Shirt. Was denkt sie sich nur immer dabei?“, erklärt Ulik. „Deine positive Formulierung könnte lauten: ,Kati scheint sich wohlzufühlen, egal was sie trägt. Wie schafft sie’s nur, so selbstbewusst zu sein?“
Vielleicht erscheint dir das auf den ersten Blick komisch. Ulik sagt aber, dass wir durch positive Umformulierung unserer negativen Gedanken tatsächlich lernen, uns besser in unsere Freunde hineinzuversetzen. Dadurch verstehen wir sie besser und fühlen uns mit uns selbst wohler.
6.
Rieche an ätherischen Ölen.
Wenn du dich über die Worte oder Handlungen einer anderen Person aufregst, kann das dazu führen, dass du wütend wirst und die Selbstkontrolle verlierst. Um wieder zu dir zu kommen, dich zu beruhigen und deinen Fokus zu finden, schlägt die Sozialarbeiterin Reverend Sheri Heller vor, an ätherischen Ölen zu schnuppern. Dich zu erden hilft dir, deine Gedanken von wütender Kritik zu befreien. Du lernst dadurch, deine Energie für die Lösung des Konflikts zu verwenden und dich besser in die Person hineinzuversetzen, die du kritisierst.
„Wütende Menschen, die andere verurteilen, müssen lernen, woher ihre Aggressionen kommen und wie sie diese effektiv nutzen können. Nur so können sie Beziehungsprobleme angehen und lösen, anstatt andere Personen zu verletzen“, sagt Heller BuzzFeed gegenüber. Sie fügt hinzu: „Es ist wichtig, sich Zeit für sich selber zu nehmen. Damit lernst du besser zu erkennen, wenn du dich aufregst. Das wiederum hilft dir dabei, dich weniger auf Vergeltungsmaßnahmen und Schuldzuweisungen zu konzentrieren, sondern dich mit der Lösung der Ursachen für deine Aggressionen zu beschäftigen.“
7.
Probiere die Achtsamkeitstechnik der „Fünf Sinne“.
Wenn du kein ätherisches Öl zur Hand hast, schlägt die Sozialarbeiterin Madelyn Gallagher vor, eine Achtsamkeitstechnik namens „Fünf Sinne“ auszuprobieren. Diese hilft dir dabei, dich selbst zu erden und dein negatives Denken in Mitgefühl zu verwandeln. „Beschreibe fünf Dinge, die du in diesem Moment sehen kannst, vier Dinge, die du körperlich fühlst, drei Dinge, die du hörst, zwei Dinge, die du riechst, und eine Sache, die du schmeckst. Die Konzentration auf fünf konkrete Dinge hilft dir, im Hier und Jetzt zu bleiben und die Absichten hinter deiner Kritik besser beurteilen zu können“, so Gallagher gegenüber BuzzFeed.
8.
Sei nachsichtig mit dir selbst, wenn du ein schlechtes Gewissen hast, weil du andere verurteilst.
Jemanden zu kritisieren und dich selbst dafür zu verurteilen ist ein seelisches Durcheinander, das du dir nicht antun musst.
„Erinnere dich daran, dass es menschlich ist, andere verurteilen. Nur weil du das machst, bist du noch keine schlechte Person”, sagt Sozialarbeiterin Fara Tucker gegenüber BuzzFeed. „Merke dir, dass Kritik oft ein Schutzmechanismus ist. Zum Beispiel beurteilen wir andere zuerst, damit sie uns nicht beurteilen können und wir kritisieren, wenn wir verletzlich oder ängstlich sind. Kümmere dich um den Teil von dir, der sich schützen möchte und auf irgendeine Weise leidet.“
Reverend Heller fügt hinzu, dass du dein Selbstwertgefühl auch durch die Pflege von Körper und Geist steigern kannst. „Es zeugt von mehr Selbstachtung, wenn du dich um dich kümmerst. Du wirst merken, dass du dir selbst und anderen dadurch mit größerem Respekt begegnest“, sagt sie. Zaubere dir also eine köstliche Mahlzeit, geh auf ein Konzert, schaue einen Film, besuche eine Ausstellung oder eine Show, gönn dir eine Massage, nimm Urlaub oder einen Tag frei für deine geistige Gesundheit oder bitte Freunde um Unterstützung.
9.
Zwinge dich dazu, neue Menschen, Orte und Ideen kennenzulernen.
Unsere instinktive Kritik beruht oft auf mangelnden Erfahrung mit bestimmten Menschen, Verhaltensweisen oder Handlungen. Sie wird durch unsere eigenen Vorurteile beeinflusst und durch die Vorstellungen und Wahrheiten, mit denen wir aufgewachsen sind. Um einige dieser tief verwurzelten Überzeugungen aufzubrechen, schlägt der Psychologe Lucio Buffalmano vor, mehr zu reisen. „Je mehr du aus deiner gewohnten Umgebung mit deinen Bräuchen und Traditionen herauskommst, desto eher gewöhnst du dich an anderes Zeug“, sagt er BuzzFeed gegenüber. „Und du reagierst weniger misstrauisch auf alles, was du anfangs verurteilt hast.“
10.
Denke daran, dass alle ihr Bestes geben.
Wenn nichts mehr hilft, folge dem Rat von Ehe- und Familientherapeutin Sarah Epstein und stelle dir folgende Frage: „Was, wenn die Person ihr Bestes versucht?“ Durch diese Frage wirst du anderen Menschen gegenüber mehr Mitgefühl und Nachsicht haben und ihnen gegenüber weniger negativ auftreten.
Epstein sagt: „Diese Frage erdet mich. Dadurch kann ich mich von meinen kritischen Gedanken lösen. Wenn eine Person ihr Bestes gibt, ist es viel schwieriger, sie zu verurteilen. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass sich jemand keine Mühe gibt, dann reagieren wir mit Kritik.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch.